Angriff auf Fotografen: Bekannter Rechtsextremer in Leipzig vor Gericht

Drei Jahre nach den Krawallen am Rande einer Corona-Demonstration in Leipzig steht Sven Liebich wegen schwerer Körperverletzung vor Gericht. Er war dabei, als ein Fotograf angegriffen wurde.

Leipzig. Wenn Sven Liebich an den 7. November 2020 zurückdenkt, dann kommt er heute noch ins Schwärmen. Damals hatten sich in der Corona-Pandemie 20 000 Menschen in Leipzig versammelt, um gegen eine angebliche Diktatur zu demonstrieren. Darunter Querdenker, extra aus Stuttgart angereist, aber auch Neonazis, gewaltbereite Hooligans. Als die Demonstration aufgelöst wurde, kippte die Stimmung. Böller wurden gezündet, Polizeiketten mit Gewalt durchbrochen, Journalisten angegriffen – und über allem lag der dichte Nebel von Bengalos. Heute, knapp drei Jahre später, sitzt Liebich auf der Anklagebank im Saal 100 des Amtsgerichts Leipzig und sagt: „Es war eine euphorische Stimmung.“

Der 42-Jährige ist ein überregional bekannter Rechtsextremist aus Halle. Einer, der ständig Demonstrationen organisiert, Geld verdient mit der Hetze gegen Flüchtlinge und die Corona-Schutzmaßnahmen. Gegen ihn laufen mehrere Verfahren, unter anderem wegen Betreibens einer kriminellen Plattform. Kürzlich wurde er unter anderem wegen Volksverhetzung zu einer Gefängnisstrafe verurteilt.

Steffen G. wird als „Wichser“ beschimpft

An jenem 7. November 2020 stand Liebich bei den Krawallen nicht nur in der ersten Reihe. Er war mittendrin, als Demonstranten den Fotografen Steffen G. angriffen. Vor dem Amtsgericht Leipzig müssen sich er und seine damalige Lebensgefährtin Caroline K. sowie Uwe H. und Matthias B. wegen schwerer Körperverletzung verantworten.

Der Angriff kursiert als Videoausschnitt bis heute in den sozialen Netzwerken. Liebich ist zu sehen, im weißen Overall, vermummt. Er klammert sich an den sehr viel größeren G., auf den Caroline K. einschlägt. Das Opfer verschwindet in einem Pulk von Menschen, die an ihm zerren, ihn als „Wichser“ beschimpfen – dann geht die Polizei dazwischen.

Der Angriff, bei dem G. Prellungen an Schädel und Schulter erleidet, dauert 20 Sekunden. Richterin Laura Zunft lässt im Gerichtssaal verschiedene Videoschnipsel abspielen; in Zeitlupe, aus verschiedenen Perspektiven gefilmt. Denn trotz der Aufnahmen gibt es doch einiges zu klären. Unter anderem die Frage: Wie hat alles angefangen?

G. kennt Liebich und die Angeklagten schon länger. Er habe sie fotografiert auf Demonstrationen in Halle, erzählt er vor Gericht. Bei den Protesten in Leipzig wollte er sich einen Überblick verschaffen, war gemeinsam mit einer Freundin unterwegs. Die Gruppe habe er auf dem Augustusplatz gesehen. „Da gab es die erste Konfrontation“, sagt G. und berichtet von Bedrohungen wie: „Dich kriegen wir auch noch.“

Caroline K. sagt: „Ich hatte Angst“

Gegen 17 Uhr, als die Situation in der Stadt eskalierte, die Demonstranten Richtung Bahnhof drängten, die Polizei sie nicht mehr halten konnte, stand G. mit Journalisten zusammen. Sie waren plötzlich völlig ungeschützt. Liebich tauchte auf, erkannte den Fotografen, ging zu ihm. Ein Video zeigt, wie der linke Arm von G. nach oben schnellt, die Hand landet am Kopf von Liebich. Er habe Liebich geschubst, um Distanz zu schaffen, sagt der Fotograf. „Er hat mich mit der Faust geschlagen“, sagt Liebich. Er habe Anzeige erstatten wollen – und G. deswegen festgehalten. Eine Darstellung, die Caroline K. vor Gericht bestätigt.

Caroline K. ist Erzieherin. Für sie steht in dem Verfahren einiges auf dem Spiel: Ihre letzte Stelle hat sie wegen der Verbindung zu Liebich und dem Angriff auf G. verloren. Es ist fraglich, ob sie bei einer Verurteilung je wieder in dem Bereich arbeiten kann. Ihr Anwalt zeichnet ein friedfertiges Bild: „Frau K. liegen Gewalttätigkeiten fern.“ Aber wie erklärt sich dann die Aggression? „Ich hatte Angst“, sagt Caroline K. Auf den Videos ist zu sehen, wie G. in Richtung der jungen Frau tritt. Doch die weicht nicht zurück, sondern geht regelrecht auf den Fotografen los, schlägt mit dem Handy auf ihn ein. Wie das Gericht die Schilderungen von Caroline K. wertet, wird sich kommenden Freitag zeigen – dann fällt das Urteil.